15
Apr
2007

Balkongeständnis

Beim heutigen Spaziergang zwischen Kleingärten bekam ich mehr nackte Männeroberkörper zu Gesicht, als Sixpacks in meinen Kofferraum passen. Die Gartensaison hat begonnen! Da wird gejätet, gesetzt und gespritzt was das Zeug hält. Während Frauen sich der fengshuigemäßen Anordnung von Hyazinthen und Anemonen widmen, haben Männer endlich wieder eine Ausrede, sich von oben bis unten dreckig zu machen.

Wer keinen Garten hat, erklärt eben den Balkon zu seiner Scholle und bewirtschaftet diese, bis das letzte Stehtischchen dem Efeu weicht. Die blühende Beute aus dem Baumarkt kitzelt den Landschaftsgärtner aus jedem Familienvater und den Romantiker aus jedem Großstadtsingle.
Der Spießer ist immer der Gärtner.

Keine Mißverständnisse: Ich mag Blumen. Gerne anschauen.
Ich habe auch schon mehrere Anläufe genommen, meinen Balkon zu begrünen. Habe sprießendes Grün genau nach Anleitung in frischer Erde vergraben, mit den Wurzeln voraus. Habe Unkraut gezupft und Gießkannen geschleppt.
Allein, seit dem Kresseschaf 1979 will mir nichts Gärtnerisches mehr gelingen.

Also gebe ich es auf, spreche dann und wann mit den wenigen treuen Zimmerpflanzen (Spanisch) und lade mir sonntags gartenlose Freundinnen zum Kaffee ein. Dann spazieren wir zwischen Kleingärten und erfreuen uns am Anblick schwitzender halbnackter Männerkörper.

Als einzige Investition in den heimischen Balkon wird dabei das hier überlegt.
Vorzugsweise mit Gärtner drauf.

11
Apr
2007

On the Road again

Der Schulalltag hat uns wieder. Und meine Disziplin sinkt weiter. Bin ich in den ersten beiden Schuljahren noch direkt von der Schule ins Büro gefahren (wo ich als erste eintraf und die Putzfrau störte), hirsche ich jetzt immer öfter provisorisch bekleidet zum Auto, liefere mein Kind mit geringfügiger Verspätung in der Schule ab, und begebe mich nochmals (wenn auch nur für 15 Minuten) ins Bett. Diese Form von Powernapping musste ich erst lernen, aber ich werde immer besser. Wenn ich dann um 9:30 Uhr ins Büro komme, bin ich immer noch unter den ersten.

Meine Recherche hat ergeben, dass der 8-Uhr-Schulbeginn ein Relikt aus einer Zeit ist, als in Österreich landwirtschaftliche Betriebe in der Überzahl waren. Da stand die Familie mit den Hühnern auf, um selbige zu füttern, und nützte das Tageslicht von der ersten Sekunde an.

Nun hat sich, überraschenden Statistiken zufolge, der wirtschaftliche Schwerpunkt in der Großstadt Wien letztes Jahr verlagert. Es gibt deutlich weniger Bauern - was wohl auch mit der steigenden Umweltbelastung durch Autos zusammenhängt, die täglich gegen 8 Uhr mit verzweifelten 100 km/h diverse Schulen ansteuern.

Die Schulen aber sind die Bollwerke der guten alten Zeit. Bloß weil irgend so ein Ami die Glühbirne erfunden hat, bloß weil immer weniger Eltern Betreuungsbedarf ab 7 Uhr früh haben (dafür aber nachmittags!), bloß weil Chronobiologen Studie um Studie vorlegen - den Schulbeginn nach hinten verlegen? Niemals.

Angesichts der Unbeirrbarkeit der Bildungsbeauftragten apelliere ich ans Verkehrsministerium: Bitte macht Schnellfahren von 7.45 bis 8.05 Uhr straffrei. Schon allein deshalb, weil ich nicht in meinem Bridget-Jones-Pyjiama aufgehalten werden möchte.

10
Apr
2007

Brüten und hungern

Ostermontag im größten Indoor-Spielplatz Wiens: Ich, der Mann, der sich ohne mich fortgepflanzt hat, und vier Kinder zwischen 2 und 9. Danach gehen wir noch gemeinsam Pizza essen. Drei Stück für sechs Personen, bitte vorgeschnitten. Und Pinot Grigio für die Rabenmutter, die sich nur um die Älteste kümmert. Der Vater balanciert Gläser, schlichtet Streit, putzt Fingerchen, bleibt hungrig. Die Kleinsten kriechen unterm Tisch herum. Der 6jährige steckt sich Servietten in die Ohren. Die Leute tuscheln. Die Kellner schauen mitleidig. Großfamilien haben's nicht leicht in der Großstadt. In der Dämmerung überqueren wir die Straße und ich wünsche, ich hätte ein Outfit, das so viele Blicke anzieht wie die Orgelpfeifen-Kinder.

Als ich heim komme, läuft im Fernsehen Die Reise der Pinguine: Die Stelle, wo die Mütter die frisch gelegten Eier den Vätern übergeben und sich zu Wellnesswochen im 100 km entfernten antarktischen Meer aufmachen. Den Winter über werden die Männer brüten und hungern. Ich muss an die Pizzeria denken.

9
Apr
2007

Schwedisches Schnewittchen

Haut wie Schnee, Haare wie Ebenholz, und ein rotes Rohseidenkleid - Sophie Zelmani spielte am Ostersonntag in der Szene Wien für ein kleines Publikum.

Die zarte 34jährige Schwedin sang zwei Stunden lang vor simpler Kulisse - einem Holztisch mit brennender Kerze, einem Glas Wasser, einem Glas Rotwein.
Die Lieder kommen sanft und unangestrengt, sie ähneln einander, bis da und dort eine Tonfolge oder ein Textteil hervorsticht. Solide Soli der blonden 4-Klon-Band. Abgesehen von Sophies Abba-Englisch und der Tatsache, dass sie die Haare seit Tourstart nicht gewaschen hat, ein tolles Konzert.

> Sophie live

Nur einmal krame ich nach dem vergifteten Apfel: Als sie dem Mann, in dessen Hosentasche meine Hand steckt, zum zweiten Mal zulächelt...

29
Mrz
2007

Glück, broschiert

Seit mein Ex-Mann am felsigen Ufer der Ligurischen See das - niemals erschienene - Buch "Sprich deinen Vers" verfasste, während ich 200 Meter entfernt sein Neugeborenes großzog, unterdrücke ich mein Interesse an Selbsthilfe-Büchern nicht mehr.

Nein, ich schreie ganz laut, wenn mir welche begegnen.

Und staune, welche Autorität banale Aussgen haben, bloß weil sie zwischen zwei Buchdeckeln stehen statt an einer Klowand. Nicht, dass ich es nicht probiert hätte: In meinen dunkelsten Zeiten habe ich mir schon mal das eine oder andere Werk zu Gemüte geführt. Und Selbstbewusstseinsstärkendes à la Die Kaiserin nimmt sich was sie braucht gemantrat.

Mitleid habe ich nur mit jenen Ratnehmern, die meinen, ihr Leben kommt umgehend auf Schiene, wenn sie die Lösung beim Universum bestellen, ihr drittes Auge öffnen, Hormon-Yoga machen, Yoni-Massage lernen, unersättlich werden oder doch nach Feng Shui ausmisten, je nach Autor sieben, zehn oder hundert Schritte zu sich selbst machen, das innere Kind finden, oder den äußeren Erwachsenen verstecken.

Frei nach John Lennon meine ich:
Life is what happens while you're busy reading self help books.

Alltag
Maennerversteherin
Mama
Reiselust
Sentimental
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
development