24
Mrz
2006

Zur Abwechslung: Schweigen

Mein schönstes Gedicht?
Ich schrieb es nicht.
Aus tiefsten Tiefen stieg es.
Ich schwieg es.


(Mascha Kaléko)

Log

Kerzenlicht in Simmering, und beinahe wären wir über den Zaun geklettert, auf den Zentralfriedhof.
Nach Grenzen überschreiten war uns. Also haben wir einander in die Seele geschaut. Mir gefiel, was ich sah.

23
Mrz
2006

Es ist was es ist

Es ist ein archaisches Gefühl: Vom Stammesältesten / Druiden / Medizinmann / Arzt mitleidig von oben herab betrachtet zu werden und zu hören, Was Sie haben, ist sehr sonderbar. (Der Stammesälteste pflegte übrigens leicht zu lispeln, das aber nur am Rande.)

Ein Urinstinkt befahl mir gestern in ebendieser Lage, nachzufragen, worum es sich denn handeln könne. Umso mehr, als ich mich eigentlich ganz fit und im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte fühlte. Die TCM-Ärztin meines Vertrauens wurde nur noch kryptischer. Sie befragte mehrere Bücher und verschrieb mir schließlich eine Drei-Wochen-Kur mit Kräutern, die in China nur in jedem 723. Jahr des Drachens geerntet werden.
Bei Vollmond, versteht sich.

War es etwa ein Fehler gewesen, just während der Pulsdiagnose an den Mann zu denken, dessen Augen die Farbe der Karibik im Januar haben?

22
Mrz
2006

Knackt beim Öffnen

Mein Unterkiefer macht sich selbstständig. Begonnen hat es harmlos, mit einem leichten Knacksen beim Gähnen. Dann produzierte ich eigenartige Geräusche beim Kauen, und schließlich wachte ich mitten in der Nacht auf und hatte das Gefühl, dass mein Gesicht anders zusammengesetzt war als bisher. Das war der Moment, wo ich beschloss, Hilfe zu holen. Ich ging zu einer Osteopathin, die mich aus allen Himmelsrichtungen begutachtete, mir ein deutlicheres Abrollen des rechten Fußes nahe legte, und eine Gebiss-Turnübung empfahl. Ansonsten könne man nicht viel machen. Die Zahnärztin stieß nach: „Wenn Sie offenbar schon gelernt haben, mit diesen Zähnen zu beißen, würde ich meinen, dass die Nachteile einer Zahnregulierung die Vorteile überwiegen.“
Nun denn, man gewöhnt sich an vieles.
Wohl auch daran, die Nebengeräusche beim Küssen mit Norah Jones zu übertönen.

Verrücktes Herz

Das Schicksal will es, dass ich mit P.s persönlicher Assistentin eng befreundet war und bin. Es will weiters, dass sie gerne kocht und mich regelmäßig ins Allerheiligste einlädt, wenn er auf Dienstreise ist. So auch gestern. Umgeben von P.s ausgelatschten Reserveschuhen, den Fotos von seinem Sohn und dem kleinen Glasherz, das ich ihm zum Geburtstag geschenkt habe, nahm ich Pasta mit Olivensauce zu mir. Und widerstand der Versuchung, Kaugummi an der Unterseite des Schreibtisches zu platzieren. Stattdessen verrückte ich, als die Assistentin nicht hinschaute, das Herz so, dass er es bemerken muss, wenn er am Freitag aus Berlin zurückkommt.

Wie du mir, so ich dir.

21
Mrz
2006

Finsternis

Mitte der 90er Jahre habe ich eine Reise nach Argentinien gemacht. Offiziell war dort gerade Frühling, aber mit meinem Glück hatte es null Grad und regnete, zumindest in Buenos Aires. Also bestieg ich einen Autobus und fuhr 24 Stunden an die Grenze zu Brasilien, zu den berühmten Wasserfällen von Iguazú. Zwei Dinge wunderten mich dabei, erstens, dass alle Flüge dorthin ausgebucht waren, und zweitens, dass man beim Einsteigen schwarze Brillen samt brasilianischer Erklärung erhielt.

iguEs dämmerte mir erst, als ich ankam: Ich befand mich zufällig in der 100-Prozent-Zone einer Sonnenfinsternis. Interessierte aus aller Welt waren extra hierher gereist, und ich bekam diesen Event als ungeahnte Zugabe! Es war tatsächlich eines der schönsten Erlebnisse meines Lebens. Ich stand vor einem an sich schon faszinierendem Naturschauspiel, diesem Wasserfall im Dschungel, und dann noch die Sonnenfinsternis… eine Beschreibung ist nicht möglich.

Trotzdem konnte ich nicht genug bekommen. Wollte vor meiner Heimreise auch noch das Kreuz des Südens sehen, das heißt sichergehen, welche Sterne das denn nun sind. Weil in der Umgebung großer Städte zuviel Licht dafür ist, nützte ich einen Ausflug aufs Land (wo jeder, der was auf sich hält, zumindest 3000 Rinder hält) für einen Zwischenstopp an einer Tankstelle mitten in der echten Pampa. Fragte den Tankwart nach „La Cruz del Sur“. Und bekam zur Antwort:
„Das soll hier in der Nähe sein, oder was? Ist das eine neue Bar?“
Manche Menschen wissen nicht, was sie versäumen.

20
Mrz
2006

Blinde Flecken auf der Landkarte

Verliebt… war ich schon an vielen Orten. In Venedig an der Rialto Brücke. In Paris, im strömenden Regen vorm Musée d’Orsay. In Warschau und in Montreux, in Kufstein und am Gardasee. Natürlich auch in meiner Heimatstadt. La Créperie, Pizzeria Francesco, Café Oberlaa, sie alle mussten schon mal herhalten fürs Händchenhalten, mindestens.
Das Problem ist, dass diese Orte dann geprägt sind: Ist die Liebe weg, will ich für eine Weile nicht daran erinnert werden, und meide sie.

Kürzlich habe ich einem Mann für ein abendliches Glas Wein ein Lokal vorgeschlagen, das genau in der Mitte des Weges zwischen unseren Wohnungen lag. Er lehnte mit der Begründung ab, dass es sich um das Stammlokal seiner Ex handelt. Verständnisvoll wollte ich auf das Café gegenüber ausweichen. „Ich möchte nirgends in der Gegend hingehen, wo sie wohnt.“ Schließlich trafen wir uns beim Italiener nächst seiner Wohnung, bei dem ich damals mein erstes Date mit P. hatte. Der Stolz verbot mir, das zu erwähnen. Und ich stellte fest: Halb so schlimm.

Wer kommt mit nach Venedig?

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